Diskussion zur Energiekrise bei der Vollversammlung.
Helmut Müller
Vollversammlung der Handwerkskammer Heilbronn-Franken am 21. November 2022

Pressemitteilung der Handwerkskammer vom 23. November 2022Langfristige Herausforderungen für das Handwerk

Die Konjunkturdaten im Handwerk weisen auf Abschwung. Explodierende Energie- und Rohstoffpreise, Material- und Lieferengpässe sowie Auftragsstornierungen belasten die Betriebe. Der 200 Milliarden schwere Doppel-Wumms mit Gaspreis- und Strompreisbremse mit Härtefallregelungen zielt in die richtige Richtung, kommt für viele Kleinbetriebe aber schon zu spät. In diesen Punkten waren sich die Redner bei der Vollversammlung der Handwerkskammer Heilbronn-Franken einig.

Ökonomie des Mangels

Ministerialrat Klaus Fingerhut vom baden-württembergischen Wirtschaftsministerium skizzierte die derzeitige Situation des Handwerks als „Ökonomie des Mangels“. Das Land unterstütze mit Darlehen, verbilligten Liquiditätszuschüssen und spezielle Beratungen zur Energiekostenentlastung. „Ohne leistungsfähiges Handwerk gibt es auch keine Energiewende“, sagte er. Für eine nachhaltige Unterstützung stünden 11,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Handwerk ist Stabilitätsfaktor der deutschen Wirtschaft

Für Handwerkskammerpräsident Ulrich Bopp ist das Handwerk „ein elementarer Stabilitätsfaktor der deutschen Wirtschaft“ und als „Stimme des Mittelstandes" eine „Wirtschaftsmacht“. Die Betriebe halten aus seiner Sicht ihre Mitarbeiter auch in Krisenzeiten, installieren Klimaschutz, sorgen für Nachhaltigkeit, organisieren die Mobilitätswende und bereiten tagtäglich handwerklich zubereitete Nahrungsmittel in höchster Qualität zu. Deshalb sei es auch ihn Krisenzeiten wichtig, „bei der jungen Generation um Auszubildende, potenzielle Fachkräfte sowie mögliche Betriebsnachfolger“ zu werben. Am Beispiel des Bauhandwerks zeigte Ulrich Bopp auf, wohin die Reise geht. Junge Leute könnten die stark erhöhten Baupreise nicht mehr bezahlen und die Kredite wegen gestiegener Zinsen nicht mehr bedienen. Das führe zu Baustornierungen. Die Lieferanten würden mit ganzen Listen an Zuschlägen den Einkauf belasten. „Das muss sich normalisieren, damit sich die Bautätigkeit wieder entwickeln kann“, so der Bauunternehmer.

Hochflexible Kurzarbeitszeitregelung gefordert

Arbeitnehmer-Vizepräsident Markus May fasst die Situation des Handwerks in zwei Worten zusammen: „Wir darben“. Dem Baugewerbe gehe es denkbar schlecht, für Investitionen fehle es an Material, aus Sorge um ihren Arbeitsplatz hielten sich die Arbeitnehmer bei Käufen zurück und die staatliche Hilfe komme „unglaublich spät. Die Hilfen müssen früher kommen, sonst sind die Fachkräfte weg“. Gegen die spürbare Ausdünnung an Fachkräften brauche es „hochflexible Kurzarbeitsregelungen“.

Frage nach Heizöl- und Pelletsbremse

In der anschließenden Diskussion zur Situation des Handwerks tauschten sich die Vollversammlungsmitglieder über Energiepreise, Arbeitszeitmodelle und Ausbildung in den Betrieben aus. Fleischermeister Harald Hohl bemerkte, dass „das Regionale durch die Energiekostensteigerungen zu teuer“ geworden sei. Kfz-Schlosser Jürgen Ziegler sah „das Ende der Fahnenstange bei den Energiepreisen“ noch nicht erreicht. Maler- und Lackiermeister Ulrich Stein ärgerte sich über die Aufschläge der Lieferanten und empfiehlt dem Gremium, den Fachkräften trotz der Krise so viel zu zahlen, „dass sie nicht in die Industrie abwandern“. Bäckermeister Bernhard Kuhn richtete sich an die Politik und fragte, wann die „Heizölbremse und die Pelletsbremse“ komme.

Verlust des Hinterlandes

Polier Jürgen Görke gab zu bedenken, dass die Haushalte über ihre Verhältnisse leben würden. Das Handwerk habe jetzt die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen und innovative Ideen für die Zukunft zu entwickeln. Ulrich Bopp stimmte dem zu und beschrieb einen zukunftsorientierten Handwerksbetrieb, der die Vier-Tage-Woche eingeführt hat und sich nun vor Bewerbungen nicht retten kann. Fliesen-, Platten- und Mosaiklegemeister Sven Blümel sah darin eine ungute Entwicklung. Uhrmachermeister Peter Scheuermann dagegen zeigte sich offen für neue Wege. Elektroinstallateurmeister Ralf Rothenburger vermisste die typisch deutsche Mentalität des „Ärmelaufkrempelns“. Tischlermeister Jochen Haag wies auf die Entwicklung im ländlichen Raum hin. „Wir müssen die gewerblichen Schulen im ländlichen Raum stärken“, sagte er. Harald Hohl bestätigte dies. „Wir verlieren Auszubildende aus dem Hinterland, wenn die Schulen zu weit weg sind“, so der Fleischermeister.

Kammer seit Jahren schuldenfrei

Nach dem Bericht des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers Achim Hofmann zum Jahresabschluss der Handwerkskammer zum 31.12.2021 ist die Handwerkskammer „seit vielen Jahren schuldenfrei. Es bestehen keine Verbindlichkeiten“. Bei einer Bilanzsumme von 30,7 Millionen Euro stehen 12,7 Millionen Euro Erträge 11,5 Millionen Euro Aufwendungen gegenüber. Die personellen Aufwendungen im Jahr 2021 sind gegenüber dem Wirtschaftsplan zurückgegangen. „Der Rückgang erklärt sich durch zeitliche Lücken bei der Besetzung von Planstellen“, erklärte Achim Hofmann. Auch konnten Investitionen wegen Lieferengpässen nicht wie geplant getätigt werden.

Rückgang der Ausbildungsstellen

Kerstin Lüchtenborg, Abteilungsleiterin Ausbildung, stellte einen Rückgang bei den Neueintragungen von Ausbildungsstellen in der Region mit einem Minus von 3,2 Prozent fest. In Baden-Württemberg liegt der Wert bei Minus 2,6 Prozent, bundesweit bei Minus 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ein Erfolg dagegen war die Beteiligung an der landesweiten Praktikumswoche. Überdurchschnittlich viele junge Leute aus der Region haben sich für Praktika in den Pfingstferien sowie vor und in den Sommerferien registriert. 86 Prozent der Teilnehmenden konnten sich nach den Praktika in bis zu fünf verschiedenen Berufen vorstellen, in einem der Berufe eine Ausbildung zu beginnen.

Rohbau für Multifunktionswerkstatt steht

Der Rohbau für die rund 790.000 teure Multifunktionswerkstatt im Bildungs- und Technologiezentrum (BTZ) der Handwerkskammer ist abgeschlossen, berichtete BTZ-Leiter Johannes Richter. Für die IT-Infrastruktur habe das BTZ weitere Fördermittel in Aussicht.

Udo Zeyer mit silberner Ehrennadel ausgezeichnet

Zum Abschluss der Veranstaltung ehrte Kammerpräsident Ulrich Bopp Vollversammlungsmitglied Udo Zeyer mit der silbernen Ehrennadel der Handwerkskammer. Der Kfz-Schlosser gehört seit 2004 sowohl der Vollversammlung als auch dem Vorstand der Handwerkskammer Heilbronn-Franken an. Seit 2009 vertritt er die Arbeitnehmerseite im Berufsbildungsausschuss und seit 2010 auch im Unterausschuss Überbetriebliche Ausbildung. In seiner Laudation betonte Ulrich Bopp, dass Udo Zeyer sich für die Gesamtinteressen des Handwerks engagiere und ihm „das Thema Aus- und Weiterbildung junger Menschen besonders am Herzen“ liege.